›Arno Schmidt im Literaturbetrieb der frühen Jahre‹
Mittwoch, 23. Februar 2022
In der Reihe ›BB Extrakt‹ ist der zweite Sammelband erschienen. ›Arno Schmidt im Literaturbetrieb der frühen Jahre‹ versammelt auf 172 Seiten Texte zum Thema, die in den letzten Jahren im ›Bargfelder Boten‹ erschienen sind. Das Inhaltsverzeichnis und die Vorbemerkungen des Herausgebers Friedhelm Rathjen können auf der Webseite zum Buch abgerufen werden.
Arno Schmidt im Literaturbetrieb der frühen Jahre. Aufsätze und ein Gespräch aus dem ›Bargfelder Boten‹. München, edition text + kritik 2022. 172 Seite, ISBN 978-3-96707-629-5, 24 Euro.
Vom Wert der Kleidung
Mittwoch, 23. Februar 2022
Die Ausstellung Vom Wert der Kleidung wurde bis zum 4. September verlängert. Wer sich einen kleinen Eindruck von der Ausstellung verschaffen möchte, findet bei Molitor neun Fotos.
Im Rahmen der Ausstellung ist am 24. März Nicolas Mahler zu Gast, der anhand
zahlreicher Bildbeispiele […] Einblicke in das Entstehen seiner Schmidt-Adaption [von ›Schwarze Spiegel‹], der Arbeit an Graphic Novels im Allgemeinen und die unterschiedlichen Zugänge bei seinen Verknappungen von Arno Schmidt und James Joyce
gibt.
Am 21. April liest Susanne Fischer unter dem Titel ›Genie-Assistenz‹ aus unveröffentlichten Briefen von Alice Schmidt. Am 5. Mai wird Oliver Schwehms Dokumentation ›Arno Schmidt – Mein Herz gehört dem Kopf‹ gezeigt.
Am 22. Februar widmete sich die ›Kulturzeit‹ der Ausstellung. Die Sendung kann bis zum 22. März in der ZDF-Mediathek abgerufen werden, der rund sechsminütige Beitrag zur Ausstellung beginnt ab ~16:45.
Schmidt-Biographie angekündigt [Update]
Sonntag, 23. Januar 2022
[23.1.2022] Nun aber: Jetzt wird der 11. April 2022 als Termin genannt.
[18.10.2021] Neuer Erscheinungstermin ist jetzt der 14. März 2022.
[1.7.2021] Auf der Webseite zum Buch wird jetzt der 14. Februar 2022 als Erscheinungstermin genannt.
[28.3.2021] Vor gut fünf Jahren kursierten in der ASml die ersten Hinweise, dass die »große Schmidt-Biographie« von Swen Hanuschek geschrieben werden soll. Dann hörte man lange Zeit nichts mehr davon, aber jetzt ist es offiziell – für den 25. Oktober kündigt der Hanser-Verlag an:
Sven Hanuschek, ›Arno Schmidt‹, Biografie, 608 Seiten, ISBN 978-3-446-27098-5, 36,00 Euro
Bargfelder Bote, Lfg. 471–473
Samstag, 15. Januar 2022
Die Lieferung 471–473 des ›Bargfelder Boten‹ ist erschienen. – Inhalt:
- Norbert Maibaum, ›Büffelschwänzler & Augnblitzerin. Eine Fährtenlese zu Werner Müllers ›Religionen der Waldlandindianer‹ in ›Abend mit Goldrand‹‹
- Martin Lowsky, ›Karl Mays Reiseerzählung ›Winnetou IV‹ alias ›Winnetous Erben‹. Kleine Chronik zur Werkgeschichte mit besonderer Berücksichtigung von Arno Schmidt und Hans Wollschläger‹
- In letzter Zeit ist erschienen und zu unserer Kenntnis gelangt
Die eBA und reguläre Ausdrücke
Samstag, 25. Dezember 2021
Günter Jürgensmeier hat sich die eBA genauer angeschaut (PDF) und fällt ein vernichtendes Urteil:
Die eBA ist mit Sicherheit die schlechteste Implementierung eines für Literatur gedachten Suchsystems in der uns bekannten Welt.
Nun ist die eBA sicherlich nicht perfekt und die von Jürgensmeier angeführten Kritikpunkte sind durchaus valide – allein: Seine Schlussfolgerung, das System sei irreparabel und »kaputt by design« scheint mir dann doch etwas übertrieben. Ich habe zu wenig Hintergrundwissen, um das wirklich beurteilen zu können, habe aber so meine Zweifel, ob das Problem des »unüberwindbaren Seitenwechsels« wirklich so unüberwindbar ist. Aber es mag jeder selbst entscheiden, ob er oder sie Jürgensmeier in seinem harschen Urteil folgt oder nicht. Darum soll es hier auch gar nicht gehen.
Die Kritik an der eBA ist mir nur ein willkommener Anlass, kurz auf den Einsatz von »regulären Ausdrücken«, wie sie die eBA bietet, einzugehen. Diese werden auf der Website nur erwähnt und an zwei, drei Beispielen demonstriert. Da mag eine kurze Erläuterung vielleicht ganz hilfreich sein. Vorausgeschickt sei aber, dass ich zum einen in Sachen RegEx kein Experte bin, zum anderen die eBA mir da mitunter etwas erratisch zu reagieren scheint. Aber sei’s drum.
Reguläre Ausdrücke
Reguläre Ausdrücke (auch als Regular Expressions oder kurz RegEx bekannt) sind formalisierte Zeichenketten, die Muster definieren, nach denen Zeichenmengen (Texte) durchsucht werden können. Reguläre Ausdrücke sind sehr mächtig, tendieren aber auch dazu, praktisch unlesbar zu werden. Allerdings scheint die eBA den Sprachumfang von RegEx nur rudimentär implementiert zu haben.
Ein regulärer Ausdruck – also das Zeichenmuster, nach dem gesucht werden soll – steht üblicherweise (und auch in der eBA) in Schrägstrichen: /Ausdruck/
. Ein Punkt .
innerhalb eines regulären Ausdrucks steht als Platzhalter für genau ein (beliebiges) Zeichen. Mit exakt:/.osen/
wird etwa »Hosen«, »Rosen«, »Dosen«, »kosen«, »tosen« etc. gefunden. Das entspricht der Standardsuche mit Fragezeichen: exakt:?osen
. (Das exakt:
gehört nicht zum regulären Ausdruck, sondern ist eine Besonderheit der eBA, mit der die standardmäßig aktive unscharfe Suche ausgeschaltet wird.)
Quantifier
Mit den »Quantifiern« lässt sich angeben, wie oft ein Ausdruck oder Zeichen auftauchen muss, um gefunden zu werden. Der Quantifier bezieht sich dabei immer auf das direkt links neben ihm stehende Zeichen bzw. auf eine Zeichengruppe (Gruppen werden übrigens in ()
notiert). Dabei steht das Pluszeichen +
für »mindestens einmal« (auch mehrfach), das Sternchen *
für »beliebig oft« (auch gar nicht). Mit exakt:/.+osen/
findet man also nicht nur »Rosen« oder »Hosen« sondern etwa auch »geländerlosen« oder »wertlosen«. Das entspricht in der Standardsuche exakt:*osen
.
Das Beispiel /essa.+/
auf der Website findet alle Zeichenketten, die »essa« gefolgt von mindestens einem oder mehr beliebigen Zeichen enthalten: »Essay«, »Essays«, »Essayist«, »EssaySchätze« etc. Das gleiche Ergebnis liefert allerdings auch die Standardsuche mit essa*
.
Zwei Dinge sind hier übrigens bemerkenswert und unterscheiden die eBA vom Standard-RegEx:
- Es wird nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung unterschieden. Bei einer RegEx sind normalerweise
/essay/
und/Essay/
zwei verschiedene Zeichenketten. - Gesucht wird ab Wortanfang (»interessant« wird z.B. nicht gefunden). Möchte man nur ab Wortanfang suchen, muss man das in einer RegEx üblicherweise mit
\b
markieren.
Möchte man alle Begriffe finden, in denen die Buchstabenfolge »essa« auftaucht, muss man das in der eBA so notieren: /.+essa.+/
. Hier gibt es zudem eine kleine Diskrepanz zur Standardsuche, bei der der Suchbegriff *essa*
lauten würde. Die findet 1060 Ergebnisse, die RegEx nur 1055. Ergänzt man den Suchbegriff zu exakt:*essa*
, werden auch in der Standardsuche 1055 Ergebnisse ausgewiesen.
Üblicherweise lässt sich in einer RegEx auch die genaue Anzahl festlegen, in dem man sie in {min,max}
setzt, wobei min
angibt, wie oft ein Zeichen oder ein Ausdruck mindestens vorkommen muss, max
legt entsprechend die Obergrenze fest. Mit exakt:/n{2,5}/
müssten alle Wörter mit »nn«, »nnn«, »nnnn« und »nnnn« gefunden werden. Das funktioniert so aber nicht mit der eBA.
Hier hilft es, Anfang und Ende der gesuchten Zeichenkette um beliebige Zeichen zu erweitern: exakt:/.*n{2,5}.*/
(= beliebig viele beliebige Zeichen, gefolgt von mindestens zwei, aber maxmial fünf »n«, gefolgt von beliebig vielen beliebigen Zeichen). Spielt die Obergrenze keine Rolle, kann man dies auch anders notieren: exakt:/.*nnn+.*/
(= beliebig viele beliebige Zeichen, gefolgt von »nn«, gefolgt von mindestens einem weiteren »n«, gefolgt von beliebig vielen beliebigen Zeichen).
Klassen
Interessant ist die Möglichkeit, Klassen zu definieren. Dazu führt man in []
alle gewünschten Zeichen auf. Mit exakt:/[HDR]osen/
werden »Hosen«, »Dosen« und »Rosen« gefunden, nicht aber »tosen« oder »losen«. Ein ^
zu Beginn einer Klasse negiert die gesamte Klasse: exakt:/[^HDR]osen/
findet die Wörter mit »osen«, die nicht mit einem »H«, »D« oder »R« beginnen, etwa »tosen«, »losen«, »Posen« oder »Kosen«. Mit dem auf der Website angeführten Beispiel exakt:/be[iy]fall.+/
werden entsprechend alle Vorkommnisse von »Beifall« (wie gesagt: Groß-/Kleinschreibung wird ignoriert) bzw. »Beyfall« gefolgt von mindestens einem Zeichen gefunden.
Ein Beispiel für eine Klasse, bei dem sich die Entwickler der eBA ein wenig von den Möglichkeiten haben mitreißen lassen, das aber niemand in der Praxis tatsächlich einsetzen würde, ist das hier exakt:/[,.!?%&\/-;:›‹„”…‘()„»«]*Und ich noch dabei[,.!?%&\/-;:›‹„”…‘()„»«]*/
. Das schaut wüster aus, als es ist.
In der Klasse werden sämtliche Satzzeichen angeführt (das „
scheint mir doppelt zu sein), wobei der Schrägstrich /
durch einen Backslash \
entwertet wird, weil er ansonsten als Ende des regulären Ausdrucks erkannt würde. Anschließend sorgt ein *
dafür, dass sämtliche aufgeführten Zeichen mehrfach (oder gar nicht) in beliebiger Reihenfolge auftauchen dürfen. Diese Bedingung wird am Schluss wiederholt und umschließt so die Phrase, um die es eigentlich geht: Und ich noch dabei
. Das funktioniert, geht aber sehr viel einfacher: exakt:/.*Und ich noch dabei.*/
. Damit wird der Ausdruck zwar auf beliebige Zeichen vor und nach der Phrase geändert – aber für das Wiederfinden des Zitats spielt das ja keine Rolle. Um so einen Zeichenwust, wie ihn die eBA da als Beispiel bringt, zu vermeiden, sind in RegEx übrigens Zeichenklassen vordefiniert. Um alles zu maskieren, was kein Wortzeichen ist – also keine Ziffer, kein Buchstabe und kein Unterstrich _
– wird normalerweise \W
geschrieben, aber diese vordefinierten Klassen werden von der eBA nicht unterstützt.
[a-z]
, Groß-/Kleinschreibung wird wieder ignoriert) oder alle Ziffern ([0-9]
). Möchte man etwa wissen, wieviele zehnstellige Zahlen bei Schmidt auftauchen, dann führt dieser Ausdruck zum Ziel: exakt:/[0-9]{10}/
. Wer, aus welchen Gründen auch immer, wissen möchte, auf welche Wörter mit 20 Buchstaben ein Komma, ein Punkt oder ein Semikolon folgt, kann das so ermitteln: exakt:/[a-z]{20}[.,;]+/
. – Zu Klassen fallen mir keine Alternativen in der Standardsuche ein ;-).
Damit sind die Möglichkeiten der regulären Ausdrücke bei weitem nicht erschöpft (hier wurde allenfalls an der Oberfläche gekratzt), aber zum einen führt das hier entschieden zu weit (über den Einsatz von RegEx sind ganze Bücher geschrieben worden), zum anderen hat die eBA ohnehin nur eine beschränkte Auswahl zu bieten. Ob noch mehr geht als hier kurz dargestellt, weiß ich nicht (Dinge wie die in RegEx ebenfalls mögliche Umgebungssuche habe ich nicht ausprobiert). Aber vielleicht helfen ja schon diese knappen Erläuterungen, dass so manches Zitat besser gefunden wird.
Kurz notiert
Samstag, 11. Dezember 2021
Der Grafiker Thomas Franke arbeitet derzeit an einer illustrierten Ausgabe der ›Gelehrtenrepublik‹, die im Verlag p.machinery erscheinen wird. Auf der Website des Verlags finden sich dazu bislang keine Informationen, aber Franke erzählt einiges über sich und seine Arbeit in einem rund einstündigen Gespräch, das live bei Facebook übertragen wurde und auch bei Youtube zu sehen ist. Nach einer etwas längeren Einleitung geht es dann ab ca. 23:00 um die illustrierte Ausgabe.
In der SZ rezensiert Florian Welle das von Ulrich Matthes eingelesene ›Zettel’s Traum‹-Lesebuch: Direkt an die Theke.
Unter dem Titel ›Über Arno Schmidts »Julia, oder die Gemälde«: Denkwege zum fertigen Gemälde‹ bespricht Hans-Jürgen Linke für die FR Fischers ›Julia‹-Band.
Ebenfalls dem ›Julia‹-Band widmet sich Martin Lowsky bei literaturkritik.de: ›Arno Schmidt in Wimmelbildern‹.
In Celle ist bis zum 7. Juni 2022 die Ausstellung ›Vom Wert der Kleidung. Der textile Nachlass von Arno und Alice Schmidt‹ zu sehen. ›Celle heute‹ bringt dazu eine ausführliche Besprechung mit vielen Bildern von Anke Schlicht: Wehrmachtsmantel und Quelle-Katalog – Auf Zeitreise mit Alice und Arno Schmidt. – Zur Ausstellung ist ein Set mit 15 Postkarten mit Fotos der Exponate und Zitaten von Arno Schmidt erschienen. Das Set ist für 5 Euro an der Museumskasse erhältlich oder plus Versandkosten bei der Stiftung.
Nicolas Mahlers grafische Version von ›Schwarze Spiegel‹ wird bei literaturkritik.de von Herbert Fuchs besprochen: ›Arno Schmidt als Comic-Figur‹.
Die 22. Nachlieferung zu Karl Heinz Müthers Arno-Schmidt-Bibliographie ist bei Aisthesis erschienen (115 Seiten, 18,50 Euro).
Die Tagung zum Haffmans-Verlag wurde in der SZ am 2. Dezember (online: 1. Dezember) von Thomas Steinfeld besprochen. Der Artikel ist online leider nur für Abonennten verfügbar: ›Die lustvollen Kenner‹ (online ursprünglich: ›Groß gestartet, groß gescheitert: Die Geschichte des Haffmans-Verlags‹). Zu Arno Schmidt heißt es da u.a.:
Doch wenn Arno Schmidt dem Haffmans-Verlag ein Renommee verlieh, so Susanne Fischer, die Geschäftsführerin der Stiftung, hob der Verlag auch das Ansehen des Schriftstellers: durch sorgfältige Editionen auch der vermeintlichen Nebenwerke, durch die Ausstattung der Bücher und durch das Streben nach Vollständigkeit. Die Bargfelder Ausgabe mag heute bei Suhrkamp erscheinen – ohne den Haffmans-Verlag wäre aus Arno Schmidt vielleicht nur ein halb skurriler Fall aus der jüngeren deutschen Literaturgeschichte geworden.
Kurzmeldungen
Samstag, 6. November 2021
Die Lieferung 470 des ›Bargfelder Boten‹ ist erschienen. Das 16seitige Heft enthält den Aufsatz ›»[…] und es wird ihr Stern bestimmt auch in anderen Kombinationen leuchten«. Alfred Kubin bei Arno Schmidt‹ von Ulrich Klappstein.
Am 5. Dezember wird im Bomann-Museum Celle die Ausstellung ›Vom Wert der Kleidung. Textilien aus dem Nachlass von Arno und Alice Schmidt‹ eröffnet. Die von Susanne Fischer, Hilke Langhammer und Friedrich Forssman kuratierte Ausstellung ist bis zum 7. Juni 2022 zu sehen. Einen Katalog wird es nicht geben, aber, so Susanne Fischer bei Facebook, »ein sehr hübsches Postkartenset«. – Nachtrag 10. November: Beim Bomann-Museum gibt es einen Überblick über das Rahmenprogramm.
In ihrem Podcast ›Gargantua‹ unterhalten sich Matthias Bickenbach und Michael Stolzke regelmäßig über »Geist und Getränke«. Da darf natürlich ein Thema nicht fehlen: ›Holder Wacholder oder Arno Schmidt‹ (30 Minuten).
Vom 25. bis 27. November gibt es am Nordkolleg Rendsburg eine Tagung zum Haffmans Verlag, bei der es natürlich auch um Arno Schmidt im Haffmans Verlag gehen wird.
5 Neuerscheinungen und 1 Verschiebung
Montag, 18. Oktober 2021
Ich komme aktuell nicht dazu, ASml.de die nötige Aufmerksamkeit zu widmen, aber meiner Chronistenpflicht möchte ich dann doch nachkommen …
Das Hörbuch zum ›Zettel’s Traum‹-Lesebuch ist erschienen: ›Arno Schmidts ›Zettel’s Traum‹. Ein Hör-Lesebuch‹. Sprecher: Ulrich Matthes, 1 MP3-CD, 363 Minuten, mit zwei Booklets mit dem Nachwort von Bernd Rauschenbach und den Zwischentexten von Susanne Fischer, Berlin, Aufbau Audio, 2021, 19,99 Euro.
Die Arno-Schmidt-Biografie von Sven Hanuschek wurde erneut verschoben, als Termin wird jetzt der 14. März 2022 genannt.
Bei Wallstein ist erschienen: ›»Wo ich gelernt habe«. Peter Rühmkorf und die Tradition‹, hg. v. Susanne Fischer, Hans-Edwin Friedrich u. Stephan Opitz unter Mitarbeit v. David Röhe u. Sina Röpke, Göttingen, Wallstein 2021, 29,00 Euro. Darin ein Beitrag von Sven Hanuschek zu Peter Rühmkorf und Arno Schmidt.
Nicolas Mahlers Graphic Novel zu Arno Schmidts ›Schwarze Spiegel‹ ist erschienen (Berlin, Suhrkamp 2021, 24,00 Euro).
Helmut Böttiger hat ein Buch über die 70er-Jahre geschrieben (›Die Jahre der wahren Empfindung. Die 70er – eine wilde Blütezeit der deutschen Literatur‹, Göttingen, Wallstein 2021, 32,00 Euro). Darin findet sich auch ein Kapitel über Arno Schmidt.
Und noch einmal Wallstein. Dort ist der 13. Band der Hans-Wollschläger-Werkausgabe erschienen: ›In diesen geistfernen Zeiten. Reden und Glossen zur Zeit‹, hg. v. Thomas Körber, Göttingen, Wallstein 2021, 29,00 Euro. Neben den bereits 1986 erschienen Reden enthält der Band zwei bislang an eher abgelegener Stelle publizierte Texte (›»Verschränkter Ahnen- und Enkeldienst« – Vom Gelächter in der Geschichte‹ und ›Gerüste. Einige unordentliche Notizen zu Aufbau und Zerstörung‹) und vor allem die rund 160 Seiten starken ›Sachen von Gestern und Morgen. Handschriftliche Sudelbücher (1986 bis 4.3.2007)‹ als Erstpublikation aus dem Nachlass. Dazu notiert der Herausgeber:
Die seit den 80er Jahren regelmäßig von Wollschläger verfassten Notate, Glossen und kleineren Essays, die er neben den Tagebüchern führte und die von ihm in der Nachfolge Georg Christoph Lichtenbergs »Sudelbücher« genannt wurden, sah er selbst als Fortsetzung und WeiterfÜhrung der kulturkritischen Texte der 70er und frühen 80er Jahre. Das »Sudelbuch« sollte um die Jahrtausendwende immer mehr an Bedeutung für den Autor gewinnen, so dass er es nicht selten (und nur selten ironisch) als »wichtiges Alterswerk« bzw. »spätes Hauptwerk« bezeichnete.
Susanne Fischer, ›»Julia, laß das!«‹
Samstag, 25. September 2021
Mit Susanne Fischers ›»Julia, laß das!«‹ liegt die wohl vorerst letzte umfangreichere Publikation aus dem Nachlass Arno Schmidts vor. Begonnen hat die Arbeit an der nachgelassenen Zettel- und Materialsammlung zur ›Julia‹ im Jahr 2015. Geplant war seinerzeit eine Edition der vollständigen Zettel-Sammlung in Buchform, getragen von der Hoffnung, man könne in dem nachgelassenen Material Antworten auf die Frage finden, wie der Roman wohl ausgesehen hätte und wie Schmidt mit seinen legendären Zettelkästen eigentlich gearbeitet hat.
Nach der vollständigen Transkription der 13.339 Zettel (Fischer zählt rund 230 Zeitungsausschnitte, Dias und ähnliches Material als Zettel mit und hat sie durchnummeriert), musste man sich von dieser wohl etwas naiven Vorstellung allerdings verabschieden. Eine komplette Edition sämtlicher Zettel wäre nicht nur ein kompliziertes, zeitfressendes, umfangreiches und entsprechend kostspieliges Projekt gewesen, sondern auch eines, in dem Aufwand und Ertrag in groteskem Missverhältnis stünden, hätte es die Fragen doch nicht beantwortet und alle Hoffnungen auf Einblicke in Schmidts Arbeitsprozess enttäuscht:
Die Zettel verraten nicht, wie es in und mit dem Buch weitergegangen wäre. Sie erscheinen über weite Strecken kaum geordnet, nur zu größeren Themenkomplexen zusammengefaßt. Sind die Einzelepisoden zugeordnet, bleibt trotzdem meist vage, was dort passiert, wer sich wie äußert. Die Notizen geben so einerseits fast keine Hinweise auf den Verlauf der Handlung, während sich andererseits eine große Anzahl von Zetteln der obsessionellen Schilderung sexueller Akte widmet, wie sie Schmidts Lesern aus dem Spätwerk vertraut sind. […] Das umfangreiche Zettelkonvolut läßt ratlos zurück: Hätte es im Verlauf der Niederschrift weitere Notizen geben sollen? Hatte der Autor den Rest ohnehin im Kopf und brauchte die Zettel nicht? Oder plante er tatsächlich, ein Buch zu schreiben, dessen zweite Hälfte vorwiegend sexuelle Inhalte habe sollte?
Stichwort »Sex«: Von den gut 13.000 erhaltenen Zetteln lassen sich rund 5.000 den von Schmidt geschriebenen 100 Seiten der ›Julia‹ zuordnen, von den restlichen rund 8.000 haben etwa 5.000 »Geschlechtliches zum Thema«, wie Fischer – den Begriff »Pornographie« bewusst als unpassend und irreführend vermeidend – notiert: Will man das wirklich alles lesen? Ich für meinen Teil bin Fischer jedenfalls dankbar, dass sie uns das erspart und sich die Mühe gemacht hat, das Material sorgfältig zu sichten und zu beschreiben. Wer sich intensiv mit der ›Julia‹ beschäftigen möchte, wird von der Stiftung wohl Einblick in die komplette Transkription bekommen, doch nicht nur für’s Erste reicht Fischers Auswahl und Beschreibung mehr als aus.
Fischer beschreibt die Zettelkästen an den verschiedenen Registerkarten entlang, die Schmidt zur Trennung der einzelnen Bereiche angelegt hat, und fasst zusammen, was sich in den einzelnen Bereichen findet. Insgesamt werden wohl so um die 400 Zettel abgebildet, transkribiert und in referierenden Zusammenfassungen zitiert. Zudem finden sich (als Faksimile und Transkription) vier ›Entwürfe zu ›Julia, oder die Gemälde‹‹ und 25 Fotografien, die Jan Philip Reemtsma im Juni 1979 in Bargfeld aufgenommen hat und die vor allem Schmidts Schreibtisch und Arbeitszimmer zeigen.
Die Zettel bieten ein Sammelsurium aus Stichpunkten, Zitaten und Formulierungen, oft enthalten sie nur wenige Worte, selten auch etwas längere ausformulierte Passagen, die über mehrere Zettel reichen. Das vermittelt alles eine ungefähre Ahnung vom wohl geplanten Verlauf des Romans, Motivketten zeichnen sich ab, es finden sich manche interessante Details, berührende und auch eher verstörende Formulierungen, Verbindungen zur ›Schule der Atheisten‹ und zum ›Abend mit Goldrand‹ werden erkennbar (so notiert Schmidt auf Zettel 11.897 etwa die Idee, dass ein »Brief Martina’s ad AnnEv […] als Flaschenpost ad Insel?« eintreffen könnte) – aber wirklich valide Schlüsse lässt all das nicht zu.
Und ja, es geht in der Tat enervierend oft und immer wieder um: Sex. Das ist auf Dauer etwas ermüdend und man merkt der Autorin ihren wachsenden Überdruss gelegentlich auch an, was aber durch hübsche Formulierungen ausgeglichen wird:
Auch allgemeine Wahrheiten von äußerster Merkwürdigkeit finden sich hier: »es sind nicht Alle Rennfahrer, die Dir Deine Kurven kratzen« (7.520)
Sind die unzähligen Zettel mit Zoten, Zweideutigkeiten und allerlei Obszönitäten auf Dauer schon etwas ärgerlich, so wird es dann in dem Teil, in dem Schmidt Zettel unter dem Stichwort »Theorie« gesammelt hat, richtig übel:
Es ist nicht ganz leicht, eine Verbindung zwischen den verschiedenen hier versammelten Notizen zu ziehen – es geht um Zwerge, Mischlinge, Apartheid, die Arche Noah und ihre modernen Versionen und um Sekten.
Eine Kostprobe (Zettel 9.011) mag genügen:
»Gastarbeiter« (ein Wahnwitz, an dem die Trade Unions schuld sind!) – wo sich ganze Türken=, Italiäner=, JapanerViertel bilden, und jetzt bereits zahllose Mischlingskinder ’rumlaufen
Das kann natürlich alles Figurenrede sein, aber der Verdacht liegt schon ausgesprochen nah, dass der Autor das durchaus ganz genau so sah.
»Schmidts Arbeit mit Zettelkästen ist nur bedingt rekonstruierbar« schreibt Fischer, und einer der wenigen handgreiflichen Hinweise sind die Zettel, die Schmidt mit dem Vermerk »wandern« versah. Auf diesen Zetteln sind dann etwa durchgehende Motivketten notiert (»Schöne alte Musik einmischen! Wandern«), die Zettel »wanderten« beim Schreiben dann durch den Kasten, der anscheinend sequenziell abgearbeitet wurde. Aber sehr viel mehr Einblicke in Schmidts Arbeitsweise gibt es nicht.
Bei der Lektüre des Buches macht sich eine gewisse Sättigung wo nicht gar Langeweile bemerkbar, doch die »obsessionelle Schilderung sexueller Akte« wird auch erkennbar als Versuch, ihr Gegenstück abzuwehren, mit dem sie in düsterer Phantasmagorie zusammenfällt: Verfall, Sterben und Tod. Über allem liegt eine große ebenso ziel- wie hilflose Trauer, und es ist wohl kein Zufall, dass Schmidt auch einen Zettel aus ›Abend mit Goldrand‹ in die ›Julia‹-Sammlung übernommen hat:
Olmers: und ›tot‹ sein ist bestimmt genau so doof wie leben
Neuerscheinungen
Dienstag, 21. September 2021
Das ›Zettel’s Traum‹-Lesebuch ist im Aufbau-Verlag als Hörbuch erschienen, es liest Ulrich Matthes. Die Textauswahl und Regie besorgte Bernd Rauschenbach. Zwei Booklets bieten eine Einführung in die Handlung des Romans und Auszüge aus Schmidts ›Vorläufiges zu ›Zettel’s Traum‹‹. Die MP3-CD (ISBN: 978-3-96105-214-1) hat eine Laufzeit von 363 Minuten und kostet 19,99 Euro.
Friedhelm Rathjens kündigt den nächsten Band seiner edition ReJoyce an: ›Arno Schmidt und die Verknüpfungskunst‹. Der Band bietet auf 152 Seiten 13 Beiträge und soll am 18. Oktober erscheinen. Kostenpunkt: 17,00 Euro.