Die Prinzessin von Ahlden

Mittwoch, 15. September 2021

Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg, nicht nur Schmidt-Lesern als »Prinzessin von Ahlden« bekannt, wurde am 15. September 1666 in Celle geboren, also heute vor 355 Jahren. Mit ihr beschäftigt sich das WDR-Zeitzeichen vom 15. September, in dem auch ›Das steinerne Herz‹ erwähnt und kurz zitiert wird. Die geheimen und teilweise verschlüsselten Briefe, die sie mit ihrem Liebhaber Philipp Christoph Graf von Königsmarck wechselte, werden nun erstmals von Rashid-S. Pegah wissenschaftlich ediert. Die Edition wird von der Arno Schmidt Stiftung finanziell unterstützt.

Bargfelder Bote, Lfg. 467–469

Mittwoch, 15. September 2021

Die Lieferung 467–469 des ›Bargfelder Boten‹ ist erschienen. Inhalt:

  • Jochen Hengst, ›»Penetranter Gedanke – keck, aber göttlich.« Arno Schmidts Vorarbeiten zu einem Essay über Gustav Schilling und die Zitierung von dessen Schriften in »Abend mit Goldrand«
  • Günther Flemming, ›Leviathan und Faust‹
  • Kai U. Jürgens, ›»Der neue Badeanzug muß eingeweiht werden!«‹ (Rez. zu ›»Potz Louis Harms & Candaze!«‹)
  • Gehört, gelesen, zitiert
  • In letzter Zeit ist erschienen und zu unserer Kenntnis gelangt

Die Zukunft der Stiftung

Mittwoch, 8. September 2021

»In den nächsten 10 bis 15 Jahren«, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Celle, wird »die editorische und wissenschaftliche Arbeit« der Arno Schmidt Stiftung beendet sein. Damit auch danach Schmidts Wohnhaus und das dazugehörige Grundstück mit Schmidts Grab gepflegt und erhalten wird, haben die Stiftung und das Celler Bomann-Museum einen Kooperationsvertrag geschlosssen:

Die Absichtserklärung beinhaltet, dass sobald die editorische und wissenschaftliche Arbeit der Stiftung am Werk des Schriftstellers abgeschlossen ist, das Bomann-Museum in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung die museale Betreuung der Arno Schmidt Gedenkstätte in Bargfeld, das Wohnhaus des Autors und seiner Frau, sowie Grab und Archivgebäude als Außenstelle übernimmt. Auch die konservatorische und restauratorische Pflege des Gebäudes und des Inventars wird dann vom Celler Museum geleistet. Sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit dem Betreiben der Gedenkstätte entstehen, werden weiterhin von der Stiftung übernommen.

Symposium zu ›Zettel’s Traum‹

Dienstag, 7. September 2021

Am 24. September findet in Dortmund das Symposium Schreiben als Arbeit: Arno Schmidts ›Zettel’s Traum‹ statt. – Aus der Ankündigung:

Ziel des Symposiums ist, "Zettels Traum" im Kontext einer erweiterten literarischen Öffentlichkeit zu diskutieren, mit Vorträgen zu den allgemein historischen Umständen der Entstehungszeit, zu Schmidts Schreibprozessen und Poetik, einschließlich einer szenischen Lesung aus dem Werk.

»Was hat Herr Schmidt eigentlich gewählt?«

Montag, 6. September 2021

Demnächst ist Bundestagwahl. Da kam bei Twitter eine Frage auf:

Was hat Herr Schmidt eigentlich gewählt; weiß man das? Die Adenauer-Partei ja höchstwahrscheinlich nicht.

Ich habe diese Frage mal zum Anlass genommen, ein wenig im Regal und vor allem der eBA zu stöbern.

Die CDU hat Schmidt natürlich nie gewählt, aber was sonst? Und hat er überhaupt gewählt? Eine erste Antwort gibt Alice Schmidt, die am 14. August 1949 in ihrem Tagebuch notiert:

Gehen wählen zur Bundestagswahl & wählen Li. 1 (SPD) auf Chaussee z. Post ist fast an jeden Baum ein Wahlplakat geklebt. CDU strengt sich mächtig an, aber SPD übertrumpft durch rotes Transparent über d. Straße; […].
Alice Schmidt, ›Tagebücher der Jahre 1948/49‹, S. 127 f.

Für die nächsten Wahljahre liegen leider keine Tagebücher im Druck vor, aber es gibt ja noch das Werk. Nun muss man sich natürlich davor hüten, Werk und Leben einfach zusammenzuwerfen, aber die politischen Aussagen der Ich-Erzähler dürften wohl mit den politischen Ansichten ihres Autors ziemlich deckungsgleich sein.

Im Mai 1952 schrieb Schmidt ›Die Umsiedler‹. Hier räsoniert der Ich-Erzähler:

»Soll doch Jeder zwei Kinder weniger haben! Da wird sogleich Raum für Gehölze, und der Hunger hört auch auf! Kein Krieg, kein Elend mehr! Meine Stimme kriegt die Partei, die gegen Wiederbewaffnung und für Geburtenbeschränkung ist!«. »Also keine?«. »Also keine.«

Nach Niederschrift der ›Umsiedler‹ änderte sich allerdings die politische Landschaft – zumindest ein wenig. Denn im Wahljahr 1953 trat erstmals die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) an.

Die GVP wurde im November 1952 als Reaktion auf die Wiederbewaffnungspläne der Adenauerregierung von Gustav Heinemann, Helene Wessel und anderen gegründet und forderte etwa die »sofortige Beseitigung der Aufrüstung zweier deutscher Armeen in West- und Ostdeutschland« – eine Forderung, die Schmidt fraglos rückhaltlos unterstützte. Auch wenn die Geburtenbeschränkung, an die der Ich-Erzähler der ›Umsiedler‹ seine Wahlentscheidung knüpft, natürlich nicht zum Programm der GVP gehörte, so dürfte ihr entschiedener Widerstand gegen die Wiederaufrüstung (für Schmidt wohl die innenpolitische Kastastrophe) den Ausschlag gegeben haben, und es kann kaum überraschen, dass Schmidt, so Susanne Fischer, »auch mal Heinemanns GVP gewählt« hat.

Diese Wahlentscheidung findet auch prompt ihren Niederschlag im Werk. Vom Juil bis Oktober 1953 arbeitete Schmidt an ›Seelandschaft mit Pocahontas‹. Und dort heißt es:

»Bloß pollietisch mußte im Augenblick ganz vorsichtich sein – na, ich geb Je’m recht: und wähln tu ich doch, was ich will!« (und vertraulichneugierig, ganz wie früher, im Flüsterton des Dritten Reiches): »Was hälstn Du davon?«. Ich zuckte die Achseln; war kein Grund, das vor ihm zu verbergen: »Auf Landesliste Gesamtdeutsche Volkspartei; im Kreis SPD: Wer mich proletarisiert, muß damit rechnen, daß ich ooch noch Kommune wähl’!«

Für das Wahljahr 1957 habe ich jetzt vorderhand keine Hinweise auf Schmidts konkretes Wahlverhalten gefunden (was natürlich nicht heißt, dass es sie nicht gibt), aber für das nächste Wahljahr – 1961 – gibt es eine konkrete Aussage, nämlich Schmidts Antwort auf einen Fragebogen der ›Zeit‹:

13. Welcher unserer politischen Parteien gäben Sie den Vorzug (Wahlgeheimnis wird gewahrt!)?
Einer Partei, ›links‹ von der SPD, ›rechts‹ von den Kommunisten. Am 17.9.61 war’s die ›Deutsche Friedens=Union‹.

Warum wählte Schmidt 1961 nicht die GVP? Ganz einfach: Die Partei hatte sich 1957 bereits wieder aufgelöst. Für die 1960 gegründete DFU entschied sich Schmidt vermutlich wegen ihrer Ablehnung von Atomwaffen und der Unterstützung des Rapacki-Plans, den Schmidt gelegentlich begrüßte:

Nochmals Dank & Gruß!: Es lebe der Rapacki–Plan!
An Hans Wollschläger, 23. Oktober 1959 (Briefe IV, S. 199)
Heute soll die Tass das erste Foto von der Mond=Rückseite gebracht haben: es lebe der Rapacki=Plan!
An Wilhelm Michels, 27. Oktober 1959 (Briefe II, S. 134)
Der Rapacki-Plan
23. November 1959 als Antwort die Frage, was ihn »im letzten Jahr am meisten […] gefreut« habe (BA Sup 2, S. 201)

Für die folgenden Wahljahre werden die Belege dünner und es scheint, als habe Schmidt sich zum Nichtwähler entwickelt.

1970 unterhält er sich sehr ausführlich mit Gunnar Ortlepp über ›Zettel’s Traum‹. Im selben Jahr wurde das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt – eine Entwicklung, die Schmidt überhaupt nicht zusagte:

Sehen Sie, wenn ich mir das so vorstelle, das Wahlalter wird neuerdings auf 18 Jahre heruntergesetzt, ja, also ich kann das immer gar nicht gut mit anhören, ich meine ich bin auch jung gewesen, ich als 18jähriger junger Mensch hätte mich einfach zum Wählen nicht für reif gehalten, ich habe das mit 21 noch nicht getan, heute würde ich sagen, also man muß so fünf- oder sechsundzwanzig Jahre alt sein, um überhaupt wählen zu können, da hat man ein schon ein bißchen eine Art von Menschenverstand,

Doch nicht nur das Wahlalter schien Schmidt zu niedrig – er störte sich auch daran, dass es keine Obergrenze gibt. Er fährt fort:

wohlgemerkt, ich ergänze es dadurch – diese Einstellung, die vielen jungen Leuten hart erscheinen wird – daß ich sage, jetzt von der anderen Seite her betrachtet, mit 60 müßte jedes Wahlrecht, sowohl das aktive wie das passive, also das zu wählen wie auch das gewählt zu werden, schlicht erlöschen.

Und kommt dann zum naheliegenden Schluss:

Ich selbst habe für mich diese Konsequenz längst insofern gezogen, als ich nicht mehr wählen gehe seit ungefähr fünf, sechs Jahren und von Wählenlassen ist überhaupt gar keine Rede, erstens tritt niemand an mich heran, und zweitens würde ich es auch dann noch ablehnen.

Im letzten, unvollendeten Werk ›Julia‹ sagt Ekkehard Rauch (»weitgereist, absoluter Skeptiker«) schließlich:

Nein, ich geh nicht wählen; I do’nt belong to the voting sort.«

Dieses Statement kann man wohl, bei aller gebotenen Vorsicht, getrost auf den späten Arno Schmidt übertragen.

Was also hat Herr Schmidt gewählt?: Anfangs die SPD. Dann linke Kleinparteien (wobei Schmidt wohl nicht »links«, sondern vor allem gegen alles Militärische war). Dann überhaupt nicht mehr.

Zwei Lesungen

Donnerstag, 2. September 2021

In den letzten Monaten waren Veranstaltungen mit Publikum ja nicht möglich, aber allmählich normalisiert sich die Lage etwas, weshalb ich jetzt auf zwei Lesungen hinweisen kann.

  • 14. September: Im Literaturhaus Hamburg stellt Bernd Rauschenbach Leben und Werk Arno Schmidts vor. Tilo Werner liest aus dem Werk Schmidts. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr und kann auch als Livestream verfolgt werden. Der Eintritt kostet 12 Euro, ein Streamingticket gibt es für 5 Euro. – Informationen des Veranstalters
  • 11. Oktober: Ulrich Matthes liest um 19.00 Uhr im Schlosstheater Celle aus dem von Bernd Rauschenbach eingerichteten ›Zettel’s Traum‹-Lesebuch. (Nähere Informationen liegen mir noch nicht vor.)

Bargfelder Bote, Lfg. 465–466

Montag, 26. Juli 2021

Die Lieferung 465–466 des ›Bargfelder Boten‹ ist erschienen. Inhalt:

  • Friedhelm Rathjen, ›Dem Wahnsinn eine Grenze setzen. Friedrich Christoph Schlossers »Weltgeschichte für das deutsche Volk« als Quelle für Schmidts »Alexander«‹
  • Gehört, gelesen, zitiert
  • In letzter Zeit ist erschienen und zu unserer Kenntnis gelangt

Die Zitate in AmG, 2. Auflage

Donnerstag, 17. Juni 2021

Günter Jürgensmeier hat seine umfangreiche Zitatensammlung zu ›Abend mit Goldrand‹ erweitert und in der 2. Auflage um rund 80 Seiten ergänzt. Die PDF-Datei kann von den Webseiten der Arno Schmidt Stiftung geladen werden.

»und noch was Andres«. Die Zitate in Arno Schmidts ›Abend mit Goldrand‹ und ihre Quellen

Neuerscheinungen

Samstag, 29. Mai 2021

Die Lieferung 462–464 des ›Bargfelder Boten‹ ist erschienen. Die gut 40 Seiten enthalten vor allem den Aufsatz ›Stimmen. Arno Schmidts Erzählung »Dr. Mac Intosh: ›Piporakemes!‹«‹ von Günther Flemming.

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Die Werkausgabe Hans Wollschlägers im Wallstein-Verlag wird fortgesetzt. Für Ende September ist angekündigt: ›In diesen geistfernen Zeiten. Reden und Glossen zur Zeit‹, hg. v. Thomas Körber. Der Band soll auch den »umfangreichsten Text aus dem Nachlass« enthalten. – Informationen des Verlags.

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Bei der edition text + kritik ist mit ›METAfiktionen. Der experimentelle Roman seit den 1960er Jahren‹ der Band 12 der Reihe neoAVANTGARDEN erschienen (hg. v. Stefan Brückl, Wilhelm Haefs u. Max Wimmer). Darin: Sven Hanuschek, ›Labyrinthische Übergangs=Gefühle. Zettel’s Traum zwischen Metafiktion, Metalepse, Literaturtheorie‹. – Informationen des Verlags.

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Bei S. Fischer ist erschienen: Hektor Haarkötter, ›Notizzettel. Denken und Schreiben im 21. Jahrhundert‹. Darin findet sich das rund 14seitige Kapitel ›Zettel’s Albtraum‹, das sich, richtig geraten, mit Arno Schmidt und ›Zettel’s Traum‹ beschäftigt. – Informationen des Verlags.

Ulm, Lafontaine, Schwarze Spiegel

Dienstag, 25. Mai 2021

Kürzlich erschien Georg Patzers 16seitiges ›Spuren‹-Heft ›Arno Schmidt und Ulm‹, nun hat sich auch Alexander Christ mit dem Thema beschäftigt und ›Arno Schmidt und Ulm, 1955–1957‹ im Grauer Verlag herausgebracht. Informationen und Bestellmöglichkeiten finden sich auf der Verlagswebsite.

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Das Literaturhaus Halle hat sich in einer Lesung und einem Gespräch am 26. April mit August Lafontaine beschäftigt. Die Veranstaltung fand natürlich ohne Publikum statt und wurde bei Youtube veröffentlicht: ›Wer schreibt der bleibt!? - Vergessene Dichter Sachsen-Anhalts. Heinrich August Julius Lafontaine.‹ Schmidts Funkdialog wird in Auszügen gelesen.

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Anna Pein und Oliver Sturm und haben bereits ›Die Umsiedler‹ als Hörspiel umgesetzt, nun folgt ›Schwarze Spiegel contd.‹:

In einer postapokalyptischen Welt, in der nahezu alles Leben ausgelöscht ist, treffen zwei letzte Überlebende in Norddeutschland aufeinander. Eine trotzig-dystopische Paradiesvorstellung von Arno Schmidt aus dem Jahr 1960 – aktualisiert für die Jetztzeit.

Das Hörspiel wird am 2. Juni erstmals gesendet und steht danach – vermutlich – als MP3 zum Download bereit.

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