Brotarbeit

Die Feststellung, er müsse – wie jeder andere Schriftsteller – für »dürftigsten Sold die schnödesten Brotarbeiten machen« (an Alfred Andersch, 25.10.1954, Briefe I, S. 35) und käme nicht dazu, sich seinen literarischen Plänen zu widmen, ist ein Leitmotiv bei Arno Schmidt. Zu den Brotarbeiten rechnete er die Übersetzungen und vor allem die rund 150 Artikel, die er hauptsächlich Mitte der 50er- bis Anfang der 60er-Jahre überwiegend für Zeitungen geschrieben hat, und die die Bände III, 3 und III, 4 der ›Bargfelder Ausgabe‹ füllen.

In seiner langen ›Grundsatzerklärung‹, die er während der Arbeit an der Poe-Übersetzung am 2. November 1964 an Hans Dieter Müller, Kuno Schuhmann und Hans Wollschläger schickte, heißt es programmatisch:

In der Kunst jedoch erhält man, je besser man’s macht, desto weniger; weil Große Kunst vom Leser Ernst & Fleiß verlangt; Schulung & Ausbildung, (und noch einmal Ernst & Fleiß) – : aber Wer will das schon aufwenden?! Mit anderen, deutlicheren Distelworten: ein Schriftsteller, der nur Hochliteratur lieferte, müßte schlicht verhungern. Manche, fast immer Sehr-Junge, haben’s getan – wobei mir immer ›Märtyrerdummheit‹ einfällt – allle Andern, es sind die Bedeutenderen, haben ihr Schaffen ›zerlegen‹ müssen: in Brotarbeiten; und in die ›eigentlichen Werke‹. Nun darf ich vielleicht erwähnen – es ist ein ausgesprochener ›Verrat aus der Werkstatt‹ – daß bei der zähneknirschenden Abfassung besagter ›Brotarbeiten‹ eine ganz bestimmte psychische Blockade eintritt: wenn ich von vornherein weiß, daß bei ›Losbindung des Geistes‹ jeglicher Redakteur mir mein Produkt prompt zurückgibt (vorausgesetzt, daß er höflich ist; ansonsten läßt er’s einfach in den Papierkorb sinken) – tja, dann schreibe ich aber doch von vornherein in der ›Sprache meiner Zeit‹; dh ich degradiere mich, von vornherein, zum Dreckschwätzer! Ich habe einmal, in desperater Lage, eine süße Nichtigkeit verfaßt ›Finster wars, der Mond schien helle‹: mit der habe ich bisher schon mehr verdient, als mit der ganzen Trilogie von ›NOBODADDYS KINDER‹!
Briefe IV, S. 711
Zuletzt geändert: 2.4.2021
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