Raubdruck

›Zettel’s Traum‹ erschien im April 1970 in einer Auflage von 2.000 Exemplaren, die schon kurz nach Verkaufsstart und noch vor Ende der Subskriptionsfrist vergriffen war. Der Subskriptionspreis lag bei 295 DM, danach sollte das Buch 345 DM kosten. Im August erschien als »proletarischer Reprint« ein auf A4 verkleinerter Raubdruck in einer Auflage von 1.000 Exemplaren zum Preis von 100 DM. Der Raubdruck wurde von den einen als Kuriosum notiert, von anderen wie etwa Jörg Drews in der SZ vom 6. August 1970 als »soziale Tat für viele Literaturbeflissene mit dünnem Geldbeutel« bezeichnet (ÜAS, S. 204). Autor und Verlag sahen das anders, Stahlberg und stellte eine Strafanzeige (die später im Sande verlief). Die Raubdrucker boten Schmidt 15% Honorar an, was er aus verständlichen Gründen ablehnte:

Die Folgen sind verheerend, sagte ich schon, stellen Sie sich doch vor, wenn ich jetzt also Geld von denen annähme, ich würde mich ja nicht nur vertragsbrüchig gegenüber Stahlberg machen, sondern jeder Verleger könnte mir, jeder solide Verleger, bei einem künftigen Buch sagen: »Ach Sie, ja, Sie sind der Schmidt, der alle Bücher zweimal verkauft oder bin ich etwa schon der zweite, bei dem Sie sind?« Das heißt, ich könnte nie mehr ein Buch bei einem anständigen Verlag unterbringen, […] weiterhin, die, ich sagte schon, die Folgen […] sind solche, ich muß es mir dreimal überlegen, ob ich jetzt noch »Lilienthal« schreiben kann, denn ich, das würde zumindest so umfangreich werden wie »Zettel’s Traum«, zumindest ebenso, vielleicht etwas mehr noch. Und in den acht bis zehn Jahren, die die Niederschrift dauert, ja wovon soll ich da leben, ich werde es versuchen, mich über die Runden zu schlängeln irgendwie, aber ganz ohne Verlagsvorschüsse werde ich nicht auskommen, ich muß also einen honorigen, langlebigen Verlag, Verleger haben […]

Der Raubdruck hinterließ auch Spuren in Schmidts Werk. So wirft Kolderup in ›Die Schule der Atheisten‹ im Jahr 2014 einen Blick die TV-»Serie ›Vor 50 Jahren‹« und sieht:

jaja; so warn se damals rumgelaufn: irre MenschnBengl; das buschije Haar quoll ihn’n aus den Löchern der Hüte; bohämisches RaubdruckerLächeln aus rasselndn Bärtn.

Und in ›Abend mit Goldrand‹ denkt A&O:

Ich=dagegn hatte, ›für den Not|TodFall‹, 2 Romane fertich, im Manuskript liegn: solange d RaubDrucker umgehen, denk’ ich nich an ’rausgebm!

1982 kursierte erneut ein Raubdruck, diesmal im Orignalformat und zu Preisen zwischen 200 und 400 Euro (vgl. ÜAS, S. 258 f.).

Zuletzt geändert: 20.10.2020
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