Die Welt ist groß genug
Samstag, 2. Oktober 2010
Man lernt doch nie aus: Eine meiner Lieblingsformulierungen Arno Schmidts stammt überhaupt nicht von Arno Schmidt. Sie lautet:
Die Welt ist groß genug, dass wir alle darin Unrecht haben können.
Schmidt benutzt diese Formulierung mehrfach. Erstmals in seiner Rezension von Ernst Kreuders ›Agimos‹ aus dem Jahr 1959. Das Buch hat ihm nicht so dolle gefallen, aber er schließt versöhnlich:
Aber ich will nicht eine Intoleranz mit der anderen vergelten. Einigen wir uns dahingehend, Herr Kreuder: Die Welt ist groß genug, daß wir Beide darin Unrecht haben können!
In ›Der Platz, an dem ich schreibe‹ (1960) heißt es:
Ich bin wegen meiner Selenomanie weder ›hyänenhaft feige‹, noch eine ›potentielle Verbrechernatur‹, wie viele meiner Gegner arg gerne möchten – als wenn die Erde nicht groß genug wäre, daß wir Alle darauf Unrecht haben können!
Drei Jahre später, 1963, begegnet sie uns in ›»‹Wahrheit› – ?«, seggt Pilatus, un grifflacht .....‹ erneut, diesmal ins Große Ganze gewendet:
Wo ist bloß der Staat, der sein Grundgesetz mit dem all=herrlichen Satz begönne:
›DIE WELT IST GROSS GENUG, DASS WIR ALLE DARIN UNRECHT HABEN KÖNNEN!‹?
Es kann sein, dass die Formulierung noch häufiger auftaucht, aber mehr Treffer wirft die aktuelle digitale Fassung der ›Bargfelder Ausgabe‹ auf die Schnelle nicht aus ;-).
Wie auch immer – diese schöne Formulierung ist wie gesagt gar nicht von Schmidt, sondern stammt (worauf Friedhelm Rathjen hinweist) von H. G. Wells. Der nämlich schrieb am 22. November 1928 an James Joyce einen Brief zum ›Work in Progress‹ (das elf Jahre später als ›Finnegans Wake‹ veröffentlicht werden sollte):
My warmest wishes to you, Joyce. I can’t follow your banner any more than you can follow mine. But the world ist wide and there is room for both of us to be wrong.